WARUM KAMPAGNEN MUT BRAUCHEN

Warum Kampagnen Mut brauchen

Ohne den Mut, anders zu sein, kann man nicht aus der Masse herausstechen. Das gilt für Menschen genauso wie für Marken. Nur wer etwas anders macht, anders spricht, anders aussieht, andere Ansichten hat, fällt auf. Aber: Um bewusst und selbstbewusst anders zu sein, braucht es Mut. Warum der in meinen Augen aber fast immer belohnt wird – und warum Kampagnen der beste Weg sind, diesen zu beweisen, erläutere ich in meinem Beitrag.

Wenn Ihre Stimme in diesem ohrenbetäubenden Lärm gehört werden soll, so muss diese Stimme schon etwas Besonderes zu sagen haben.“

David Ogilvy

Wir lernen es spätestens in der Schule, wenn du auffallen willst, fall auf. Dazu eine kurze Anekdote zu meiner Schulzeit (wirklich kurz, versprochen): Ich bin zu einer Schülersprecherwahl in einem knallig-orangenen Slipknot-Overall auf die Bühne gegangen. Klingt etwas unspektakulär und pubertär, aber ab da kannte mich die ganze Schule als „extravaganten“ Typen mit Overall – und Slipknot-Fan. So habe ich in meiner Schulzeit schon instinktiv eine Regel des Marketings angewendet: Ich bin aufgefallen. Was ich aber auch gelernt habe: Auffallen alleine reicht nicht – wir haben die Schülersprecherwahl ziemlich deutlich verloren. Ergo, wer auffällt, kommt nicht drumherum, damit auch eine Message, eine Haltung zu verbinden.

Ihr lacht über mich, weil ich anders bin. Ich lache über euch, weil ihr alle gleich seid!

Kurt Cobain

Was hat das jetzt genau mit Marketingkampagnen zu tun? Mit den Werten und der Haltung einer Marke?
Wenn ich nur kurz darüber nachdenke, welche Kampagnen mir wirklich im Gedächtnis geblieben sind und direkt einfallen, wenn ich an Mut denke, dann sind es die, die etwas anders gemacht haben. Sie haben mit Konventionen gebrochen, die in der jeweiligen Branche vorher als unabdingbar galten. Sie haben festgesetzte Regeln und Ideale infrage gestellt. Sie haben sich getraut in „Für-oder-gegen-uns“ aufzuteilen. Hier drei Beispiele unter vielen guten Kampagnen, die diese Regel des Regelbrechens perfekt beherzigt haben – und damit auf lange Sicht erfolgreich waren.

Dove: Jede Schönheit ist ideal

Was heute zum Trend gehört, war vor über 20 Jahren ein mutiger Schritt: Dove zeigte mit als erstes, reichweitenstarkes Unternehmen im Beauty-Bereich in seiner Kommunikation reale Frauen mit unterschiedlichen Körpertypen, Hautfarben, Altersgruppen. Kurvige Models, das schien bis dahin undenkbar in einer Welt von perfekten und retuschierten Frauen. Die Kampagne war und ist damit ein Statement gegen die Standardvorstellungen von Schönheit. Sie umfasst bis heute verschiedene Initiativen, Kampagnen, Videos und soziale Projekte. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das „Dove Self-Esteem Project“, in dem die Auswirkungen von „toxischem Content“ gezeigt werden. Das ist nicht schön, aber wichtig. Denn die Kampagne will das Selbstwertgefühl von Mädchen und Frauen stärken. 

Und: Dieses Gesamtkonzept von Dove trägt. Denn es pflegt nicht nur die positive Wahrnehmung der Marke, sondern setzt die Themen Vielfalt und Inklusivität auch langfristig zeitgemäß und anschlussfähig um. Mit immer neuen Storys lädt die Marke ihre Haltung auf – und tritt mit dieser differenzierten Ansicht zu Schönheit aus der Masse heraus.

Ich habe immer die Idee gemocht, nicht so zu sein, wie es die Leute von mir erwarten.

Dita van Teese

Und: Dove macht damit auch richtig kreative Werbung. Mein kreatives Highlight der Positionierung: die Real Beauty Sketches. In einem sozialen Experiment mit Gänsehautgarantie beschreiben Frauen ihr Äußeres und ein „forensic artist“ portraitiert sie nach diesen Angaben. Danach wird die gleiche Person von einem außenstehenden Menschen beschrieben. Die beiden Ergebnisse sind sehr unterschiedlich – und zeigen eine bittere Realität: Oft haben Frauen ein „schlechteres“ Selbstbild. Oder positiv formuliert. Die wahre Schönheit wird von Außenstehenden oft besser bewertet.

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Burger King: Ehrlichkeit wird niemals schlecht

Eine andere Kampagne, die Regeln bricht und damit sicher nicht jedem schmeckt: der „Moldy Whopper“ von Burger King. Die Kampagne beschäftigte sich mit der Frage, wie man möglichst aufmerksamkeitsstark bekannt gibt, dass man keine künstlichen Konservierungsstoffe oder Aromen mehr in den Whopper-Produkten verwenden wird.
Die ungewöhnliche und provokative Strategie: das Zeigen von verdorbenen Produkten statt gewöhnlichem Foodporn. Das Keyvisual der Kampagne ist ein Zeitraffer-Video, das zeigt, wie ein Whopper im Laufe der Zeit schimmelig wird.

Die Botschaft hinter der „Moldy Whopper“-Kampagne ist klar: Burger King verdeutlicht den Verbrauchern, dass ihre Burger keine künstlichen Zusatzstoffe enthalten, und beweist das mit einer überraschend schönen Schimmelästhetik.

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Die Reaktionen auf die Kampagne waren vielfältig. Einige Kunden fanden die Darstellung ekelerregend, während andere die Transparenz und die Bemühungen von Burger King schätzten, auf natürliche Zutaten zu setzen. Insgesamt war die „Moldy Whopper“-Kampagne eine gewagte Entscheidung Und, war das Ganze ein Erfolgsrezept? Dazu gibt es keine genauen Zahlen, aber in kreativen Kreisen wird die Kampagne gefeiert und auch die Werbeimpressions sprechen eine deutliche Sprache.

Nike: Eine Kampagne zum Niederknien

Eine Kampagne, die nicht mit visuellen Konventionen bricht, aber dennoch extrem kontrovers und damit mutig war, ist die Nike-Kampagne mit dem ehemaligen NFL-Quarterback Colin Kaepernick. Sie trug den Slogan „Believe in something. Even if it means sacrificing everything“.

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Aber warum kontrovers? Colin Kaepernick hatte sich während der Nationalhymne vor den NFL-Spielen hingekniet, um gegen soziale Ungerechtigkeiten und Polizeibrutalität zu protestieren. Das löste starke Debatten über Patriotismus und Meinungsfreiheit aus. Mit dem Move, Kaepernick zum Gesicht seiner Kampagne zu machen, setzte Nike ein starkes Zeichen für soziale Gerechtigkeit.

Was dann passierte, war vorhersehbar. Die Kampagne polarisierte und teilte die Menschen in zwei Lager auf. In die Unterstützer, die sich mit Kaepernick und Nike solidarisierten, und die Gegner, die den Hersteller boykottierten und ihre Nike-Produkte verbrannten. Ergebnis: Wenn man der Case Study glauben darf, hat das Ganze der Marke aber nur kurzfristig geschadet. Nach einem ersten Tief ist die Aktie wieder nach oben geschossen. Touchdown Nike.

Zuerst ignorieren sie dich. Dann machen sie dich lächerlich. Dann greifen sie dich an und wollen dich verbrennen. Und dann errichten sie dir Denkmäler.

Nicholas Klein

So oder so: Die Kampagne erhielt gerade wegen dieser Spaltung und ihrer klaren Haltung große Aufmerksamkeit – und zahlreiche Auszeichnungen. Sie ist so ein Sinnbild dafür, wie eine Marke durch Kommunikation und Kampagnen nicht nur Produkte verkaufen, sondern auch eine soziale Botschaft übermitteln kann.

Mein persönliches Fazit:

Es mag riskant erscheinen, gegen die Regeln zu handeln. Aber genau dieser Mut wird oft belohnt. Und: Kampagnen sind der beste Weg, um diese Marken-Statements laut und öffentlichkeitswirksam zu setzen.

Ich bin fest überzeugt: Kundinnen und Kunden schätzen es, wenn Marken ihre Werte authentisch, stark und mutig kommunizieren, auch wenn das Risiko besteht, damit jemanden vor den Kopf zu stoßen. Denn mutige Kampagnen schaffen nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch Bindung.
Und noch ein Punkt kommt dazu: Selten war es so wichtig, sich gegen bzw. für gesellschaftliche Veränderungen zu positionieren. Also liebe Marketeers, liebe CEOs und liebe Kolleginnen und Kollegen: Habt Mut, anders zu sein!

Ansprechpartner*in

Johannes HesselCreative Director